Prof. Dr. Regina Toepfer:
Abrahams Familiendrama. Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit im Theater der Reformationszeit.
Ev. Kirche Bad Münster am Stein (Stadteil Ebernburg), Zugang nach der 3G-Regel. Eintritt frei.
Zu den zentralen Motiven der Reformation gehörte die Forderung nach der Ehe nicht nur für Kleriker, sondern ihre Deutung gleichsam als eine Christenpflicht. Während alternative Lebensmodelle wie der Eintritt in ein Kloster oder eine Beginengemeinschaft wegfielen, rückte die Reformation die Ehe als normative Lebensform und als einzig legitimer Ort, Sexualität auszuleben, in das Zentrum – verbunden mit der Erwartung, Nachkommenschaft zu zeugen. Kinderlosigkeit stellte sich dadurch nicht mehr als ein mit Keuschheitsvorstellungen begründbares Ideal dar, sondern als ein Problem.
Fragen der Ehe und der richtigen Lebensführung werden in zahlreichen Flugschriften und polemischen Texten der Reformationszeit aufgegriffen, aber auch in Dramen und Theaterstücken thematisiert und mit Verhaltenshinweisen versehen. Häufig wird dabei auf die biblischen Gestalten als Vorbilder Bezug genommen. Die späte Elternschaft von Abraham und Sarah – nach dem biblischen Erzählfaden der Genesis ist Abraham 100 Jahre alt, als er Vater wird – bietet den Anlass, Kinderlosigkeit, den Wunsch nach Nachkommenschaft und den Umgang mit Unfruchtbarkeit auch im Reformationsdrama aufzugreifen, theologischen zu deuten und auch frömmigkeitspraktisch als Schicksalsschlag mit seelsorgerlichen Hinweisen aufzugreifen.
Professor Dr. Regina Toepfer unterrichtet Germanistik mit dem Schwerpunkt auf mittelalterliche Literaturen an der Julius-Maximilian-Universität Würzburg. In ihrer 2020 erschienen Studie über Kinderlosigkeit im Mittelalter hat sie ein anregendes und spannend lesbares Standardwerk zum Umgang mit Unfruchtbarkeit sowie selbstgewählter Kinderlosigkeit in der Theologie, Literatur und Gesellschaft des Mittelalters veröffentlicht.
In mehreren einschlägigen Beiträgen hat sie die Darstellung von Geschlechterrollen und die Prägung religiöser Lebenswelten durch das geistliche Spiel vor und nach der Reformation untersucht. Derzeit ist ein Repertorium der gedruckten deutschen Dramen des 16. Jahrhunderts an ihrem Lehrstuhl in Bearbeitung.