"Hier stehe ich". Luther und das Gewissen. Ebernburgvorträge am 4. Juli 2021

Am 3. Juli eröffnet die Ausstellung "Hier stehe ich. Gewissen und Protest" - pandemiebedingt etwas verspätet - in Worms im Museum Andreasstift ihre Pforten. Sie erinnert an die  500jährige Wiederkehr von Luthers Auftritt auf dem Wormser Reichstag 1521.

Die Ebernburg-Stiftung nimmt dies zum Anlass, um eines der zentralen Themen reformatorischer Theologie, das mit diesem Ereignis in Verbindung steht, zu thematisieren. Sie konnte dafür zwei hochkarätige Referenten gewinnen:

Prof. Dr. Markus Wriedt (Frankfurt am Main), der zum Wissenschaftlichen Beirat der Wormser Ausstellung gehört, Autor zahlreicher Veröffentlichungen mit dem Schwerpunkt Reformations- und Bildungsgeschichte, widmet sich der kirchengeschichtlichen Seite des Themas mit seinem Vortrag "Gefangen in Gott – Martin Luthers Berufung auf sein Gewissen während des Reichstags in Worms 1521".

Prof. Dr. Dietrich Korsch (Kassel, Marburg), einer der gegenwärtig führenden Systematischen Theologen in Deutschland, überschreibt seinen Vortrag "Das Urteil des Gewissens und die Freiheit des Glaubens. Über die Grundlegung menschlichen Selbstverständnisses".

Die beiden Vorträge mit anschließender Diskussion beginnen um 14.30 Uhr. Aufgrund der weiterhin geltenden Pandemiebeschränkungen finden sie im digitalen Format statt (Öffnung des digitalen Warteraums ab 14.15 Uhr). Hier gelangt man zu den Vorträgen.

Weitere Informationen zu den Vorträgen:

 

Prof. Dr. Dietrich Korsch: Das Urteil des Gewissens und die Freiheit des Glaubens. Über die Grundlegung menschlichen Selbstverständnisses

Niemand wird von sich selbst sagen, er sei nicht gewissenhaft. Woher kommt dieses Empfinden innerer Verpflichtung, das unser gesamtes Leben begleitet? Es ist bei jedem von uns aus der eigenen Lebensgeschichte unterschiedlich geprägt, meldet sich unterschiedlich laut – aber ist nie ganz verschwunden. Diesem Sachverhalt nachzugehen, ist die Absicht des Vortrags. Dabei wird sich zeigen, daß die menschliche Verfassung, gewissenhaft zu sein, nach einer religiösen Deutung verlangt. Das reformatorische Christentum eröffnet für dieses Phänomen des Gewissens ein besonders tiefes Verständnis. Es lehrt erkennen, warum wir uns in unserem Gewissen immer kritisch beurteilen – und inwiefern der Glaube an Gott das urteilende Gewissen dennoch zu einem Handeln befreit, das auf Gelingen aus ist.

 

Prof. Dr. Markus Wriedt: Gefangen in Gott – Martin Luthers Berufung auf sein Gewissen während des Reichstags in Worms 1521

In der nunmehr 500 Jahre währenden Rückschau auf Luthers Widerrufsverweigerung im April 1521 anlässlich des Reichstages von Worms wurde dieses Ereignis immer mehr zum Triumpf des freien Gewissens gegenüber einer Macht und Herrschaft repräsentierenden Kirche stilisiert. Schaut man aber einmal in die Geschichte des sich stetig wandelnden Gewissensbegriffes, gelangt man zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass Luther zutreffend und mit guten Gründen sein Gewissen als Autorität anführen konnte. Im Unterschied zur modernen Deutung aber nicht als individuelles und autonomes Gewissen, sondern als das in Gott gebundene. Dieses konnte nach Vorstellung einiger scholastischer Theologen durchaus im Widerspruch zur kirchlichen Lehrmeinung stehen. Der Vortrag wird diese Vorgeschichte des mittelalterlichen Gewissensbegriffes knapp skizzieren und sodann Luthers Bezugnahme darauf referieren. Im Ausblick wird die gewaltige Nachwirkung und Transformation seiner Gewissensentscheidung angesprochen.

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